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Donnerstag, 24. Dezember 2020

»Weihnachten« von Hermann Hesse

Baum im Herbst

Ich sehn´ mich so nach einem Land
der Ruhe und Geborgenheit
Ich glaub´, ich hab´s einmal gekannt,
als ich den Sternenhimmel weit
und klar vor meinen Augen sah,
unendlich großes Weltenall.
Und etwas dann mit mir geschah:
Ich ahnte, spürte auf einmal,
daß alles: Sterne, Berg und Tal,
ob ferne Länder, fremdes Volk,
sei es der Mond, sei´s Sonnnenstrahl,
daß Regen, Schnee und jede Wolk,
daß all das in mir drin ich find,
verkleinert, einmalig und schön
Ich muß gar nicht zu jedem hin,
ich spür das Schwingen, spür die Tön´
ein´s jeden Dinges, nah und fern,
wenn ich mich öffne und werd´ still
in Ehrfurcht vor dem großen Herrn,
der all dies schuf und halten will.
Ich glaube, das war der Moment,
den sicher jeder von euch kennt,
in dem der Mensch zur Lieb´ bereit:
Ich glaub, da ist Weihnachten nicht weit!

»Weihnachten« von Hermann Hesse

Samstag, 24. Oktober 2020

Hermann Hesse als Anwalt des Individuums

Hermann Hesse


Hermann Hesse ist entschiedener und engagierter Anwalt des Individuums und des Innenlebens in einer immer schnellebiger werdenden Gesellschaft, die ihre Mitglieder mit starken Konformitätszwängen in normierte Lebensläufe pressen will.

Samstag, 17. Oktober 2020

»Oktober« von Hermann Hesse

Goldener Oktober
In ihrem schönsten Kleide Stehn alle Bäume gelb und rot, Sie sterben einen leichten Tod, Sie wissen nichts von Leide.

Herbst, kühle mir das heiße Herz, Daß es gelinder schlage Und still durch goldene Tage Hinüberspiele winterwärts.

»Oktober« von Hermann Hesse

Samstag, 10. Oktober 2020

»Peter Camenzind« - ein Roman voller Tiefe


Peter Camenzind: Erzählung (suhrkamp taschenbuch)


Hermann Hesse zeichnet in seinem Roman »Peter Camenzind« den Lebenslauf des aus einem bäuerlich geprägten Schweizer Hochgebirgsdorf stammenden Peter Camenzind. Der Protogonist durchläuft Lebensstationen in Zürich und Basel und lernt auf Wanderungen und ausgedehnten Reisen Deutschland, Frankreich und Italien kennen.

Peter Camenzind ist angewidert durch die sogenannte Gesellschaft bzw. das intellektuelle Leben. Nirgendwo sonst findet er derartig überzogene, verlogene Rollenbilder, die man sich überstülpt, sie sind in diesen Kreisen sogar gewalttätiger und irrsinniger als anderswo.

Er sucht die Natur - und findet über diesen Weg einfache Seelen voller Schönheit, unverkünstelt und echt. Die Schilderung von Wolken-Bildern als kleines Beispiel - nirgendwo habe ich etwas vergleichbar Zutreffendes gelesen, alle Draußen-Skizzen sind ein einziger Genuss.

Seine Wanderungen im Freien, die Annäherung an den menschlichen Krüppel am Ende, dort, wo er tiefste Schönheit findet: hier ist das Bemühen um Gott und die Welt tiefergehend, eindrücklich greifbar. Hesse ist als Mitte-Zwanzig-Jähriger deshalb soweit, weil er früher als andere die Verlogenheit von Gemeinschaften (seine Eltern waren pietistische Missionare) erkennt, die sich wie Fesseln um die freie Entfaltung von Seelen legen (können), sein Werk ist ein einziger Befreiungsakt dagegen.

Das Leben im Jetzt, ohne Notwendigkeit auf Anerkennung von anderen, ein freier Geist, am Grund der Dinge, abgekoppelt von Rollen- und Sittenbildern, ganz sich selbst fühlend, mit dieser Art kann es jeder schaffen, Beziehungen zu leben, die nicht von Tauschgeschäften geprägt sind, sondern von tiefer, kooperativer Menschlichkeit und natürlicher Schönheit.
Hermann Hesse gelang der literarische Durchbruch mit dem zivilisationskritischen Entwicklungsroman »Peter Camenzind«. Der Roman machte Hesse über Nacht berühmt und und ermöglichte ihm eine Existenz als freier Schriftsteller.

Die 1904 veröffentlichte Erzählung »Peter Camenzind« legte den Grundstein für das Renommee des über vier Jahrzehnte später mit dem Nobelpreis für Literatur geadelten Hermann Hesse.

Hermann Hesse ist zeitlebens vor allem Rezensent gewesen, hat sich damit seine ersten Sporen verdient (köstlich seine Anmerkungen dazu in diesem Buch), er möchte sein Leben über das Schreiben und ein einfaches Leben voller Entsagungen zubringen, im Fluss seiner inneren Werte, wolkenverhangen oft, und auf ursprüngliche Art glücklich sein. Peter Camenzind ist ein autobiografischer Roman, die Grundlage dafür, dass Hesse vom Schreiben leben kann, ein Zielfeld für alles, was kommen sollte.

Samstag, 19. September 2020

»Sommers Ende« von Hermann Hesse

Ein Sommerabend


Gleichtönig, leis und klagend rinnt
Den lauen Abend lang der Regen,
Hinweinend wie ein müdes Kind
Der nahen Mitternacht entgegen.

Der Sommer, Feste müd,
Hält seinen Kranz in welken Händen
Und wirft ihn weg – er ist verblüht –
Und neigt sich bang und will verenden.

Auch unsre Liebe war ein Kranz
Auflodernd heißer Sommerfeste,
Nun löst sich sacht der letzte Tanz,
Der Regen stürzt, es fliehn die Gäste.

Und eh wir der verwelkten Pracht
Und der erloschenen Glut uns schämen,
Laß uns in dieser ernsten Nacht
Von unsrer Liebe Abschied nehmen.


»Sommers Ende« von Hermann Hesse


Hermann Hesse-Gedichtbände:

»Das Lied des Lebens«: Die schönsten Gedichte
»Das Lied des Lebens«:
Die schönsten Gedichte


Sämtliche Gedichte in einem Band
Sämtliche Gedichte in einem Band

Samstag, 5. September 2020

»September« von Hermann Hesse





Der Garten trauert,
Kühl sinkt in die Blumen der Regen.
Der Sommer schauert
Still seinem Ende entgegen.

Golden tropft Blatt um Blatt
Nieder vom hohen Akazienbaum.
Sommer lächelt erstaunt und matt
In den sterbenden Gartentraum.

Lange noch bei den Rosen
Bleibt er stehen, sehnt sich nach Ruh.
Langsam tut er die großen
Müdgewordenen Augen zu.

»September« von Hermann Hesse

Die Natur trauert. Der September ist, lyrisch gesehen, die beste Zeit zum Sterben. Und dieses Gedicht ist ein wunderschönes, gelassenes Einverstandensein mit dem Ende, das bei Hermann Hesse aber doch noch eine Weile ausblieb.



Hermann Hesse-Gedichtbände:

»Das Lied des Lebens«: Die schönsten Gedichte
»Das Lied des Lebens«:
Die schönsten Gedichte


Sämtliche Gedichte in einem Band
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Video:

Hermann Hesse "September" - YouTube



Samstag, 22. August 2020

»Roßhalde« von Hermann Hesse

Roßhalde
Roßhalde

»Roßhalde ist ein autobiografisch geprägter Roman von Hermann Hesse. Die Verknüpfung zwischen Leben und Werk des Autors besonders stark. So ähnelt das Anwesen »Roßhalde« Hesses Zuhause Anno 1914, bei Veröffentlichung des Buches. Vorbesitzer des realen Anwesens war wie Hesses Protagonist, Johann Veraguth, ein Maler und auch Hesse entdeckte um diesen Zeitraum die Malerei für sich.

Roßhalde - so heißt das idyllische Anwesen, auf welchem ein Künstlerehepaar mit seinen Söhnen um 1910 lebt. Roßhalde ist so groß, dass sich das an Gefühlen vergrämte Ehepaar aus dem Weg gehen kann. Frau Adele wohnt mit dem kleinen Pierre im Haupthaus. Lediglich zu den Mahlzeiten kommt man zusammen. Albert, der die meiste Zeit im Internat verbringt, hat sich komplett von seinem Vater, dem bekannten Maler Johann Veraguth, abgewendet. Er spürt, dass die Mutter, die er über alles liebt, unter der abgestumpften Ehe leidet und gibt dem Vater die Schuld daran. Wenn Albert die Ferien auf Roßhalde verbringt, meiden sich Vater und Sohn genauso wie es die Eltern das ganze Jahr über tun.

Hermann Hesse beschreibt die unglückliche Ehe mit wenigen Worten, aber so sensibel, dass der Leser genau das empfindet, was die Entfremdeten füreinander fühlen oder besser gesagt nicht mehr fühlen. Der einzige, der etwas Licht und Freude in dieses trübe nebeneinanderher Leben bringt, ist der kleine Pierre. Johann überfällt immer wieder die Angst, auch Pierre an seine Mutter zu verlieren. So kämpfen Mutter und Vater tonlos um die Gunst des aufgeweckten und altklugen Pierres. Bis Pierre plötzlich erkrankt.

In der autobiografischen Erzählung schildert Hesse die letzten Wochen und Monate der Beziehung, zwischen dem international geschätzten Maler Veraguth, seiner Ehefrau Adele und den beiden Söhnen Pierre und Albert. Die Entfremdung der beiden Ehepartner spiegelt sich u.a. darin, dass Veraguth, in seiner Malerei Zuflucht suchend, in einem Anbau an seinem Atelier auf dem Gut Roßhalde lebt, nur wenige Steinwürfe entfernt vom Herrenhaus in dem seine Frau sich in ihrer Abgeschiedenheit eingerichtet hat.

Der ältere Sohn Albert kommt nur in den Ferien aus dem Internat zu Besuch. Vor dieser Kulisse stellt Pierre, der siebenjährige gemeinsame Sohn, die einzige Gemeinsamkeit der beiden Eheleute dar. Erst durch den Besuch eines Freundes, der wie ein Nachhall einstiger "besserer, schönerer" Zeiten den Künstler in die Realität zurückholt, sieht sich Veraguth mit der Tatsache konfrontiert, dass er sich seinem Leben und damit seinen unaufgearbeiteten Beziehungsproblemen stellen muss. Beschleunigt wird diese erzwungene Verarbeitung noch durch die schwere Erkrankung seines abgöttisch geliebten Sohnes Pierre.

»Tu den Schritt und wirf einmal alles weg,
so wirst du plötzlich die Welt wieder
mit hundert schönen Dingen auf dich warten sehen.«


Was die Ehe des Malers Johann und seiner Frau, der Pianistin Adele Veraguth, noch zusammenhält, ist die Liebe zu ihrem jüngsten Sohn Pierre, sonst leben die beiden getrennt, innerlich wie räumlich, der Maler in seinem Atelier, Adele im Wohngebäude der Roßhalde. Ihre Gemeinsamkeiten sind erschöpft, und die Einsamkeit hat sie verhärtet und wortkarg gemacht. Der plötzlichen Erkrankung des geliebten Sohnes stehen die Eheleute fassungslos gegenüber.

Ein Jugendfreund besucht Johann seid langen Jahren, erkennt den elenden Zustand indem sich die Ehe befindet, und empfiehlt Johann loszulassen und eine erholenden Reise nach Indien anzutreten. Johann zögert mit seiner Einwilligung und reflektiert in einem schmerzlichen Prozess des Nachdenkens die Gründe für den Zerfall der Ehe.

Dann erkrankt plötzlich der Sohn der Eheleute lebensbedrohlich, als wäre dies geradezu das Resultat und Sinnbild, des sich in Auflösung befindenden Ehebundes.


Buchempfehlung:

Roßhalde
Roßhalde
von Hermann Hesse

Samstag, 8. August 2020

Hermann Hesse in Montagnola

Montagnola

Über 40 Jahre seines Lebens verbrachte Hermann Hesse in seiner Wahlheimat Schweiz. Bereits 1919 lies er sich Montagnola nieder, einem Dorf in der Nähe von Lugano am Luganer See.

Im Mai 1919 verlies Hermann Hesse Bern und zog ohne die Familie in den Süden der Schweiz. In dem Tessiner Flecken Montagnola oberhalb des Luganer Sees fand er die pittoreske »Casa Camuzzi«, ein romantisches Schlösschen, in dem er drei Zimmer mietete. Wahrscheinlich ahnte er zu dem Zeitpunkt selbst nicht, dass er hier einen Wohnort bis zum Ende seiner Tage gefunden hatte. Montagnola sollte für Hesse ein einschneidendes Erlebnis werden.

Mit dem Umzug in seine Wahlheimat nach Montagnola begann eine einschneidende Veränderung im Leben des 42-jährigen, der sich persönlich und künstlerisch in einer tiefen Krise befand. Seine erste Ehe war gescheitert, im Ersten Weltkrieg hatte sein Weltbild Risse bekommen und seine auf deutschen Konten lagernden Ersparnisse wurden von der Inflation aufgezehrt. Auch als Schriftsteller stand Hesse vor einem Debakel.

Hesse beim Zeichnen

Das änderte sich schlagartig unter der Sonne des Südens. Hesse blühte buchstäblich auf und die angestauten psychischen Spannungen entluden sich in einem kreativen Schaffensrausch, der seinen Dichterruhm begründete.

Hermann Hesse starb am 9. August 1962 in seiner Wahlheimat in Montagnola im Schweizer Kanton Tessin. Seine letzte Ruhestätte fand der Dichter auf dem Friedhof von San't Abbondio in Gentilino.

Mittwoch, 29. Juli 2020

»Spätsommer« von Hermann Hesse

Bayerischer Wald Fotos Bilder

Noch einmal, ehe der Sommer verblüht,
wollen wir für den Garten sorgen,
die Blumen giessen, sie sind schon müd,
bald welken sie ab, vielleicht schon morgen.

Noch einmal, ehe wieder die Welt
irrsinning wird und von Kriegen gellt,
wollen wir an den paar schönen Dingen
uns freuen und ihnen Lieder singen.


»Spätsommer« von Hermann Hesse


Hermann Hesse-Gedichtbände:

»Das Lied des Lebens«: Die schönsten Gedichte
»Das Lied des Lebens«:
Die schönsten Gedichte


Sämtliche Gedichte in einem Band
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Samstag, 25. Juli 2020

»Sommerabend« von Hermann Hesse

Regional freundlicher Sommerabend

Es singt ein Schnitter auf der Rast,
Im Dufte schwelgt der reife Klee –
O du, daß du das alte Weh
Mir wieder wachgesungen hast!

Volkslieder, Kinderlieder gehn
Leistönig auf im Abendwind,
Und wieder schmerzen alle Wehn,
Die doch vernarbt, vergessen sind.

Spätabendwolken segeln zier,
Die Erde atmet warm und weit . . .
Was willst du heute noch von mir,
Verlorene Jugendzeit?

»Sommerabend« von Hermann Hesse

Hermann Hesse-Gedichtbände:

»Das Lied des Lebens«: Die schönsten Gedichte
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Sämtliche Gedichte in einem Band
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»Das Lied des Lebens«: Die schönsten Gedichte
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Sämtliche Gedichte in einem Band
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Samstag, 18. Juli 2020

Hermann Hesse über Siddhartha und der Fluss des Lebens

Siddharta
Siddharta

Hermann Hesse über das Zuhören: Siddhartha und der Fluss des Lebens

«Der Fluss ist überall zugleich, am Ursprung und an der Mündung, am Wasserfall, an der Fähre, an der Stromschnelle, im Gebirge, überall zugleich, und dass es für ihn nur Gegenwart gibt, nicht den Schatten Vergangenheit, nicht den Schatten Zukunft.»

»Zärtlich blickte er in das strömende Wasser, in das durchsichtige Grün, in die kristallenen Linien seiner geheimnisreichen Zeichnung. Lichte Perlen sah er aus der Tiefe steigen, stille Luftblasen auf dem Spiegel schwimmen, Himmelsbläue darin abgebildet. Mit tausend Augen blickte der Fluss ihn an, mit grünen, mit weissen, mit kristallnen, mit himmelsblauen.
(…)
Lerne von ihm!
Wer dies Wasser und seine Geheimnisse verstünde, so schien ihm, würde auch viel anderes verstehen, viele Geheimnisse, alle Geheimnisse.
(…)
Von den Geheimnissen des Flusses aber sah er heute nur eines, das ergriff seine Seele. Er sah: das Wasser lief und lief, immerzu lief es, und war doch immer da, war immer und allzeit dasselbe und doch jeden Augenblick neu!»

«Der Fluss lernt ihm, dass es keine Zeit gibt. Er lernt ihm das Zuhören, das Lauschen mit stillem Herzen, mit wartender geöffneter Seele, ohne Leidenschaft, ohne Wunsch, ohne Urteil, ohne Meinung.»

«Sie lauschten. Sanft klang der vielstimmige Gesang des Flusses. Siddhartha schaute ins Wasser und im ziehenden Wasser erschienen ihm Bilder: sein Vater erschien, einsam, um den Sohn trauernd, er selbst erschien, einsam, auch er mit den Banden der Sehnsucht an den fernen Sohn gebunden; es erschien sein Sohn, einsam auch er, der Knabe, begehrlich auf der brennenden Bahn seiner jungen Wünsche stürmend, jeder auf sein Ziel gerichtet, jeder vom Ziel besessen, jeder leidend. Der Fluss sang mit einer Stimme des Leidens, sehnlich sang er, sehnlich floss er seinem Ziele zu, klagend klang seine Stimme.
„Hörst du?“ fragte Vasudeva stummer Blick, Siddhartha nickte.
„Höre besser!“ flüsterte Vasudeva.

Siddhartha bemühte sich besser zu hören. Das Bild des Vaters, sein eigenes Bild, das Bild des Sohnes flossen ineinander, auch Kamalas Bild erschien und zerfloss, und das Bild Govindas, und andre Bilder, und flossen ineinander über, wurden alle zum Fluss, strebten alle als Fluss dem Ziele zu, sehnlich, begehrend, leidend, und des Flusses Stimme klang voll Sehnsucht, voll von brennendem Weh, voll von unstillbarem Verlangen. Zum Ziele strebte der Fluss, Siddhartha sah ihn eilen, den Fluss, der aus ihm und den Seinen und aus allen Menschen bestand, die er je gesehen hatte, alle die Wellen und Wasser eilten, leiden, Zielen zu, vielen Zielen, dem Wasserfall, dem See, der Stromschnelle, dem Meere, und alle Ziele wurden erreicht, und jedem erfolgte ein Neues, und aus dem Wasser ward Dampf und stieg in den Himmel herab, ward Quelle, ward Bach, ward Fluss, strebte aufs neue, floss aufs neue. Aber die sehnliche Stimme hatte sich verändert. Noch tönte sie, leidvoll, suchend, aber andre Stimmen gesellten sich zu ihr, Stimmen der Freude und des Leids, gute und böse Stimmen, lachende und trauernde, hundert Stimmen, tausend Stimmen.»

«Siddhartha lauschte. Er war nun ganz Lauscher, ganz ins Zuhören vertieft, ganz leer, ganz einsaugend, er fühlte, dass er nun das Lauschen zu Ende gelernt habe. Oft schon hatte er all die gehört, diese vielen Stimmen im Fluss, heute klang es neu. Schon konnte er die vielen Stimmen nicht mehr unterscheiden, nicht frohe von weinenden, nicht kindliche von männlichen, sie gehörten alle zusammen, Klage der Sehnsucht und Lachen des Wissenden, Schrei des Zorns und Leiden des Sterbenden, alles war eins, alles war ineinander verwoben und verknüpft, tausendfach verschlungen. Und alles zusammen, alle Stimmen, alle Ziele, alles Sehnen, alle Leiden, alle Lust, alles Gute und Böse, alles zusammen war die Welt. Alles zusammen war der Fluss des Geschehens, war die Musik des Lebens. Und wenn Siddhartha aufmerksam diesem Fluss, diesem tausendstimmigen Lied lauschte, wenn er sich nicht auf das Leid noch auf das Lachen hörte, wenn er seine Seele nicht an irgendeine Stimme band und mit seinem Ich in sie einging, sondern alles hörte, das Ganze, die Einheit vernahm, dann bestand das grosse Lied der tausend Stimmen aus einem einzigen Worte, das hiess Om: die Vollendung.»

«Langsam blühte, langsam reifte in Siddhartha die Erkenntnis, das Wissen darum, was eigentlich Weisheit sei, was seines langen Suchens Ziel sei. Es war nichts als eine Bereitschaft der Seele, eine Fähigkeit, eine geheime Kunst, jeden Augenblick, mitten im Leben, den Gedanken der Einheit zu denken, die Einheit fühlen und einatmen zu können.»

»Über das Glück« von Hermann Hesse


Was ist Glück? - Dem Sinn dieses Wortes, das er auch für seinen Klang liebte, hat Hermann Hesse zeitlebens nachgespürt. Was er selbst als beglückend empfand, war selten materieller Natur - tiefste Quelle des Glücks waren ihm die Eindrücke, die wir der Empfänglichkeit unserer Sinnesorgane verdanken, der Fähigkeit, uns zu verlieben und hinzugeben, dem Erlebnis des Einklangs der Innen- mit der Außenwelt.

Hesse versteht es, in diesem Buch mehrere Zustände des Glücks zu beschreiben. Sehr gefallen dabei die Naturbeschreibungen. In einer so hektischen Zeit wie dieser ist es immer wichtig, sich auf die wahren Momente des Glücks zu besinnen und nicht nur auf das künstliche Glück welches durch den Konsum heute hervorgebracht wird. Er beschreibt treffend die Freude die man bei einer Naturbetrachtung und beim Reisen empfindet.

Die allermeisten Texte in diesem Suhrkamp-Taschenbuch beschäftigen sich mit dem Sommer, dem Hochsommer, dem Abschied vom Sommer. Dass Hesse den Sommer besonders mochte, weiß jeder, der schon Autobiographisches von ihm gelesen hat.

Unerträgliche Sommerhitze, die glücklich macht - durch fast alle Lebensjahrzehnte von Hermann Hesse. Selbst wenn man einzelne Passagen daraus bereits in anderen Hesse-Zusammenstellungen hat, lohnt sich dieses Buch zum Lesen und Wiederlesen.

Niemand kann so wundervoll mit Worten Bilder malen. Einfach ein Muss für jeden, der Hermann Hesse mag. Die unterhaltsamen Kurzgeschichten werden durch schöne Gedichte unterbrochen. - Das Buch in Ruhe bei einem guten Glas Grumello, einem italienischen Rotwein, genießen. Das ist übrigens der Lieblingswein des Dichters.


Literatur:

Über das Glück

Über das Glück von Hermann Hesse

Hermann Hesse als Maler

Hermann Hesse Acquarell

"Nicht, daß ich mich für einen Maler hielte, aber das Malen ist wunderschön. Man hat nachher nicht wie beim Schreiben schwarze Finger, sondern rote und blaue", so Hermann Hesse 1925. Im Alter von 40 Jahren, mitten im Ersten Weltkrieg, hat Hermann Hesse zu malen begonnen. Es war ihm ein Ausweg in den bittersten Zeiten seines Lebens. Anfänglich illustrierte er seine eigenen Gedichte und verkaufte sie als bibliophile Raritäten. Die meist kleinen, sehr expressionistischen Aquarelle mit ihrer Farbigkeit waren für Hesse ein Ausgleich, eine Art Ausruhen vom Schreiben, ja um Distanz von der Literatur und der Welt zu gewinnen.

Seit seinen autodidaktischen Anfängen im Ersten Weltkrieg, die dem damals Vierzigjährigen eine schwere Krise zu überwinden halfen, hat Hesse bis ins hohe Alter etwa zweitausend Aquarelle gemalt. Die meisten von ihnen sind Liebeserklärungen an die farbenfrohen Landschaften seiner Tessiner Wahlheimat und ihren damals noch unerschöpflichen Reichtum an zauberhaften Motiven.

Farbe ist Leben
Farbe ist Leben


"Aus der Trübsal, die oft unerträglich wurde, fand ich einen Ausweg für mich, indem ich, was ich nie im Leben getrieben hatte, anfing zu zeichnen und zu malen. Ob das objektiv einen Wert hat, ist einerlei; für mich ist es neues Untertauchen in den Trost der Kunst, den die Dichtung mir kaum noch gab. Hingegebensein ohne Begierde, Liebe ohne Wunsch."

Aus einem Brief an Felix Braun, 1917

"Meine kleinen Aquarelle sind eine Art Dichtungen oder Träume, sie geben von der ‚Wirklichkeit' bloß eine ferne Erinnerung und verändern sie nach persönlichen Gefühlen und Bedürfnissen (...), dass ich (...) nur ein Dilettant bin, vergesse ich nicht."

Aus einem Brief an Helene Welti, 1919

Farbe ist Leben
Farbe ist Leben

"Jeder von uns Künstlern, auch wenn er viel an sich zweifeln muss und sein Talent und Können als scheußlich klein empfindet, hat einen Sinn und eine Aufgabe und leistet, wenn er sich treu bleibt, an seinem Ort etwas, was nur er zu geben hat. Wenn Du mit mir im Tessin malst, und wir beide das gleiche Motiv malen, so malt jeder von uns nicht so sehr das Stückchen Landschaft als vielmehr seine eigene Liebe zur Natur, und vor dem gleichen Motiv macht jeder etwas anderes, etwas Einmaliges. (...) Und wie viele Maler, die für Stümper oder für Barbaren in der Kunst galten, erwiesen sich nachher als edle Kämpfer, deren Werke den Nachfolgern oft tröstlicher sind und inniger geliebt werden als die größten Werke der klassischen Könner!"

Aus einem Brief an Bruno Hesse, 1928

Hermann Hesse Acquarell

"In meinen Dichtungen vermisst man häufig die übliche Achtung vor der Wirklichkeit, und wenn ich male, dann haben die Bäume Gesichter und die Häuser lachen oder tanzen oder weinen, aber ob ein Baum ein Birnbaum oder eine Kastanie ist, kann man meistens nicht erkennen. Diesen Vorwurf muss ich hinnehmen. Ich gestehe, dass auch mein eigenes Leben mir sehr häufig wie ein Märchen vorkommt. Oft sehe oder fühle ich die Außenwelt mit meinem Inneren in einem Zusammenhang und Einklang, den ich magisch nennen muss."

Aus: Kurzgefasster Lebenslauf, 1925


Im April 1933, nachdem Hesse aus der Casa Camuzzi in die Casa Rossa gezogen war, besuchte der junge Gunter Böhmer Hermann Hesse und richtete sich in der Casa Camuzzi ein. Zehn Jahre später, 1943, siedelte der Maler Hans Purrmann, Schüler von Henri Matisse, nach Montagnola über und zog einige Zeit später ebenfalls in die Casa Camuzzi. Mit beiden Malern und Zeichnern verband Hesse eine ihn beglückende Künstlerfreundschaft. Böhmer unterstützte Hesse bei dessen Bemühungen, sich künstlerische Techniken und die Gesetze unterschiedlicher Perspektivdarstellungen anzueignen.


Weblinks:

Hesse über Malerei - www.hermann-hesse.de

Stufen - Youtube


Literatur:

Farbe ist Leben
Farbe ist Leben
von Hermann Hesse


Farbe ist Leben
Farbe ist Leben
von Hermann Hesse

Blog-Artikel:

- Kulturwelt-Blog - culturwelt.blogspot.com


Quellcode:

<a title="Kulturwelt-Blog" href="http://culturwelt.blogspot.de">Kulturwelt-Blog</a>

Samstag, 20. Juni 2020

Der Garten von Hermann Hesse in Gaienhofen


Hermann Hesse ist nicht nur einer der meistgelesenen deutschen Autoren weltweit, er hat auch einen starken Bezug zur Natur und zum Garten, aus dem er schöpfte und der als Nährboden seines Wirkens unerlässlich war. Hesses Garten in Gaienhofen am westlichen Bodensee ist der einzige, den er nach eigenen Vorstellungen angelegt und gestaltet hat. Dort lebte er nach dem Prinzip der Selbstversorgung – schon damals, lange vor dem Kult um das »Leben auf dem Lande«. Er wollte damit ein Zeichen setzen für eine gesellschaftspolitische Haltung gegen den allgemeinen Trend der Industrialisierung, Verstädterung, Entfremdung und Entmenschlichung.



Im Frühjahr 1908 begann Hesse, sein Land zu bewirtschaften, bepflanzte die Beete, setzte Bäume, legte einen Beerengarten, Wasserstellen, Wege und einen Kiesplatz an. Auf dem Kiesplatz, direkt hinter der nördlichen Seite des Hauses, setzte er im Zickzack fünf Kastanienbäume, mit denen er Kindheitserinnerungen an seine Heimatstadt Calw verband und die neugierige Blicke der Dorfbewohner abhielten. Von hier aus führte ein Weg weiter nördlich durch bunte Blumenbeete, hohe Stauden und üppige Gemüsebeete. Dahinter lag ein Holzschuppen und weiter nördlich ein kleiner Platz, wild bepflanzt mit Sträuchern, einem Flieder und ein paar Wildrosen. Auf dieser Fläche, die besonders reichhaltige Erde besaß, legte Hesse auch einen Komposthaufen an.

Sein Garten wurde von Eva Eberwein restauriert und wiederhergestellt. Heute ist er Anziehungspunkte für Literaturfans und Gartenfreunde aus aller Welt. Das Buch nimmt uns mit in die damalige Welt Hermann Hesses, schildert lebendig und einfühlsam seine Beweggründe, den Garten genau so anzulegen, seine Erlebnisse darin und sein Wirken in dieser Zeit.

Der Garten von Hermann Hesse“ – Ein Exkurs mit Eva Eberwein ...

Wie ein Hausbaum stand er westlich schräg vor der Eingangstür, als sei es schon immer so gewesen. Im Sommer hielt der Schatten der Baumkrone Küche und Speisekammer kühl. Auf der Nordseite des Hauses erstreckte sich der größere Teil des Gartens, von Hesse „oberer Garten“ genannt, südlich des Gebäudes lag eine kleinere Fläche. Im Frühjahr 1908 begann Hesse, sein Land zu bewirtschaften, bepflanzte die Beete, setzte Bäume, legte einen Beerengarten, Wasserstellen, Wege und einen Kiesplatz an.

Der Leser kann in dem Buch von Eva Eberwein intensiv nachfühlen, wie sie den Garten des Poeten im Jahreskreislauf der Natur sich erschließt und belebt, wenn sie mit den Gießkannen und den rostigen Spaten des Dichters auf seinen Spuren unter der Rosskastanie die Erde bearbeitet, wenn sie Blumen und die alten Rosen beschneidet, von der Kapuzinerkresse schwelgt oder aus der Regenwasserzisterne schöpft und aus dem Dunghaufen die Kraft für neuen Anwuchs holt. Ihren Erlebens- und Erfahrensbericht in den Grenzen der Hainbuchenhecke, die Hesse gepflanzt, aber nie in ihrer vollen Größe gesehen hat,

Weblink:

In Dichters Garten - www.faz.net/aktuell


Literatur:

Der Garten von Hermann Hesse
Der Garten von Hermann Hesse
von Eva Eberwein

Von der Wiederentdeckung einer verlorenen Welt


Video:

Der Garten von Hermann Hesse in Gaienhofen

Der literarische Wanderweg durch Montagnola


Der literarische Wanderweg durch Montagnola



Auf diesem literarischer Wanderweg bzw. Spaziergang durch Montagnola im Tessin, begleiten uns Zitate und Gedichte von Hermann Hesse.

https://www.youtube.com/watch?v=iihpfaiIsFc Hermann Hesse Rundweg in Montagnola

Samstag, 30. Mai 2020

Auf den Spuren von Hermann Hesse


Der Hermann Hesse gewidmete Weg führt an einige der schönsten Punkte der Collina d'Oro, die dem deutschen Dichter besonders lieb waren und die man auch in seinen Werken wiederfindet

Ein Weg und ein Museum in Montagnola - das einzige ihm gewidmete Museum in der Schweiz - werfen ein interessantes Licht auf den langjährigen Aufenthalt des berühmten deutschen Schriftstellers und Dichters im Tessin.

Der Weg führt an einige der schönsten Punkte der Collina d’Oro, die dem Dichter besonders lieb waren und die man in seinen Werken wiederfindet.

Er umgeht Montagnola, durchquert den Dorfkern und führt durch den Wald zum Friedhof des Dorfes. Abgesehen von einigen Treppen weist der Rundgang keine Schwierigkeiten auf.
Die einzelnen Etappen sind:

1. Casa Rossa, 2. Gedenkstein zum 100. Geburtstag von Hermann Hesse, 3. Casa Camuzzi/Museum Hermann Hesse, 4/5/6 - bevorzugte Orte des Dichters, 7. .„sein“ Grotto, 8.  Friedhof.


Weblink:

Auf den Spuren von Hermann Hesse

Samstag, 16. Mai 2020

»Glück« von Hermann Hesse

Solang du nach dem Glücke jagst,
Bist du nicht reif zum glücklich sein
Und wäre alles Liebste dein.

Solange du nach Verlorenem klagst
Und Ziele hast und rastlos bist,
Weißt du noch nicht, was Friede ist.

Erst wenn du jedem Wunsch entsagst,
Nicht Ziele mehr, noch Begehren kennst,
Das Glück nicht mehr mit Namen nennst,
Dann reicht dir des Geschehens Flut
Nicht mehr ans Herz - und deine Seele ruht.

»Glück« von Hermann Hesse

Literatur:

Über das Glück

Über das Glück von Hermann Hesse


Hermann Hesse-Gedichtbände:

»Das Lied des Lebens«: Die schönsten Gedichte
»Das Lied des Lebens«:
Die schönsten Gedichte


Sämtliche Gedichte in einem Band
Sämtliche Gedichte in einem Band

Donnerstag, 27. Februar 2020

»Dem Ziel entgegen« von Hermann Hesse

Hermann Hesse

»Immer bin ich ohne Ziel gegangen,
wollte nie zu einer Rast gelangen,
meine Wege schienen ohne Ende.

Endlich sah ich, daß ich nur im Kreise
wanderte, und wurde müd der Reise.
Jener Tag war meines lebens Wende.

Zögernd geh ich nun dem Ziel entgegen,
denn ich weiß: Auf allen meinen Wegen
steht der Tod und bietet mir die Hände.«


»Dem Ziel entgegen« von Hermann Hesse (1877 - 1962)